Flüchtlingsheim Neumünster   Offener, 2-phasiger Realisierungswettbewerb

23392
Standort Neumünster
Jahr 2023
Team m8architekten


Wettbewerbsaufgabe
Das Land Schleswig-Holstein beabsichtigt, am Standort der ehem. Scholtz-Kaserne, jetzt: Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende Neumünster (EAE NMS), Haart 148 in 24539 Neumünster bis 2030 die Aufnahmekapazität für Flüchtlinge und Zuwanderer auf 1.000 Personen = 1.250 Plätze zu erhöhen.

Um dieses zu realisieren, wurde ein städtebauliches Konzept entwickelt, in dem, am Standort des jetzigen Wirtschaftsgebäudes (Haus 3), der Neubau eines Multifunktionsgebäudes vorgesehen ist, mit Verwaltungsbereich für das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (LaZuF) den Betreuungsverband und die Bewirtschaftung sowie Schule und Freizeitflächen für Asylsuchende und Zuwanderer.

 

Offener Grundriss – Offene Gesellschaft

Mit einem Multifunktionsgebäude in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende Neumünster schafft das Land Schleswig-Holstein einen zentralen Plaza mit einem kommunikativen „Gemeindezentrum“ für die dort untergebrachten 1000 Geflüchteten und den vielen Mitarbeitenden der Einrichtung.   

Der Entwurf ist vom Grundgedanken geleitet, einen offenen Ort für Menschen zu gestalten, die ihr Heimatland hinter sich lassen mussten und auf der Flucht schwerwiegende Erlebnisse zu tragen hatten. Der Ort wird in der räumlichen Gestaltung die Werte unserer offenen, vielfältigen und demokratischen Gesellschaft spürbar machen. 

Ein Ort, der Sicherheit bietet, ein Ort, der auf verschiedensten niederschwelligen Ebenen zur Kommunikation einlädt und Austausch und Integration möglich macht.  Die Entscheidung, den ehemaligen Sanitätsbunker zu erhalten, prägt den Entwurf. Nicht nur aus Gründen der ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, sondern auch um ein gestalterisches Spannungsfeld zwischen der rauen spröden Schönheit der mächtigen Bunkerwände aus Beton und den neuen leichten Gebäudeelementen zu schaffen. Die Decke des Bunkers wird entfernt und um ca. 1,50m angehoben. Die Räume werden auf einer Ebene zusammengefasst. Lichthöfe aus ehemaligen Bunkerräumen ergänzen die freundliche helle Atmosphäre der Ebene. Alle Räume im Bunker werden gut belichtet und belüftet. 

Das Raumprogramm wird über vier Ebenen nach Hauptnutzungen gegliedert: 

-  die Betreuung- und Freizeit sind auf der ehemaligen Bunkerebene | Ebene 1 

-  die Verwaltung auf Ebene 2, bildet das Erdgeschoss und 

-  das Lernen für Kinder und Erwachsene findet auf Ebene 3 + 4 statt.

Durch skulpturale Treppen- und Lufträume sind die Geschosse über die Ebenen hinweg mit einander verbunden. Das Herz des Gebäudes bildet ein zweigeschossiger zentraler lichtdurchfluteter Begegnungsraum auf Höhe des ehemaligen Bunkers. Das Gebäude ist im Erdgeschoss auf Ebene 2, im direkten Bezug zum Multifunktionssaal, barrierefrei zugänglich. Die Verwaltungsräume mit Publikumsverkehr erhalten von der Plaza aus, einen separaten Zugang. Für Veranstaltungen kann der Zentralraum sowohl über den Spielhof als auch über den Lichthof an der Straße zum Haart direkt erschlossen werden. Alle Nutzungen haben eine gemeinsame Adresse - ein Ankommen - und sind doch auch individuell erreichbar.

 

Multifunktion, alle zusammen und doch differenziert 

Die Anordnung der unterschiedlichen Nutzungen über vier Geschosse mit jeweils direkter Zuordnung der individuellen Freibereiche, bildet einen sinnvollen, übersichtlichen Raumzusammenhang. Der Multifunktionsraum fördert die Interaktion aller Akteure und gleichzeitig sind die verschiedenen Bereiche so ausgebildet, dass die jeweiligen Nutzungen klar abgrenzt sind.

Der kommunikative Bereich mit Jugendtreff, Sport- und Fitnessraum, Café, Kino, Musikraum, Fahrradreparatur, Holzwerkstatt und Bibliothek (Achtung: ein zentraler Waschsalon sollte noch ergänzt werden) wird erschlossen über den Spielhof auf Bunkerebene und gleichzeitig über den barrierefreien Hauptzugang des Kulturzentrums.

Die Verwaltung im Erdgeschoss situiert, mit einer Café- Pausenterrasse zum Spielhof, schafft eine Verbindung ohne die Grenzen zu verwischen.

Um Verantwortung und Konzentration zu gewährleisten sind die Freiflächen der Schule auf den Dachflächen der Verwaltungsbaukörper im 1.Obergeschoss räumlich zu den übrigen Nutzungen des Multifunktionsgebäudes getrennt. Sie sind dennoch über den Sichtbezug mit dem Spielhof und dem Kulturzentrum verbunden. 

 

Städtebauliche Wirkung zum Haart

Das Multifunktionsgebäude bildet eine klare Identitätsstiftende städtebauliche Setzung. Die zwei begrünten blühenden Schulgeschosse, die Bildung und Integrationsarbeit symbolisieren, bilden den Raum zum Haart und sind für Passanten gut wahrnehmbar. Das nach außen und innen leuchtende „Kulturzentrum“ bildet nicht nur das Herz für die Geflüchteten, sondern ist auch Adresse und Anknüpfungspunkt für die umliegenden Anwohner. Idealerweise werden Kinovorführungen, Vorträge oder auch Diskussionen nicht nur von den Bewohnern der Anlage, sondern auch von den Bürgern im näheren Umkreis besucht.

 

Der Sanitätsbunker

Mit der Adaption des Sanitätsbunkers wird nicht nur die Graue Energie des massiven Betonbunkers erhalten, sondern auch zwischen dem Bestand und der neuen Nutzung ein komplexer vielfältiger Bezug hergestellt. Die Erinnerung, die der Sanitätsbunker, auch an unsere unsicheren Zeiten weckt, lassen uns und die Ankommenden spüren wie wichtig es ist sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam Perspektiven für unser aller Zukunft zu entwickeln. Der Bunker mit seinen dicken schallresistenten Wänden ist wie geschaffen, um das öffentliche Leben aufzunehmen und eine größtmögliche Akzeptanz untereinander zu schaffen. Er sollte allen Bewohner und auch Anwohner 24/7 zur Verfügung stehen. Die unterschiedlichen Bestandsebenen des Bunkers werden alle auf die oberste Ebene egalisiert. Der Bunker ist so barrierefrei. Die vertiefte Außenraum mit dem Innenraum des Kulturzentrums, der sich auf der Bunkerebene aufspannt, ist der Würde des Menschen gewidmet. Geschliffener Asphalt mit eingefrästen Barcoderelief bildet die Oberfläche. Im Alltag ist die Fläche als Spielhof gedacht, bei Veranstaltungen wird der Raum zum Foyer. Er verbindet räumlich die Stadtgesellschaft mit den Geflüchteten.

 

Das Kulturzentrum 24/7

Zwischen Bunkerebene und Erdgeschoss im Zentrum des Multifunktionsgebäudes liegt das Herz, das Kulturzentrum. Mit seiner Tribüne ist der Raum für vielfältige Aktivitäten wie: Kino, Sport, Café und vieles mehr nutzbar. Er ist eine Art Dorfplatz für das gesamte Zentrum – und kann mit den dort stattfindenden Veranstaltungen in das umliegende Wohnviertel wirken. Auf einem Screen werden alle Aktivitäten, aber auch wichtige Informationen angekündigt. Jugendliche und Erwachsene können sich hier treffen und austauschen. Das Kulturzentrum ist ein witterungsgeschützter wohltemperierter für alle zugänglicher öffentlicher Raum. Die großflächige nicht isolierte Glasfassade trägt, mit der Sonneneinstrahlung im Winter und in der Übergangszeit, zur Temperierung des Gebäudes bei. Im Sommer wirkt sich die Speicherung der Nachtkühle des Raumes positiv auf die Energiebilanz aus. Für den sommerlichen Wärmeschutz ist eine flexible Verschattung vorgesehen.

 

Die Verwaltung

Die Verwaltung im Erdgeschoss, ist beidseitig des Kulturzentrums situiert. Die Verwaltungsmitarbeiter können aufgrund der Nähe zu den Aktivitäten und Aktionen, das Leben der Ankommenden konstruktiv begleiten. Sie bilden die Brücke, sie sind die ersten Kontaktpersonen für die Ankommenden. Das Gebäude ist als reiner Holzbau konzipiert. Die Fassaden der Verwaltung sollen offen und transparent sein. Sie wird, soweit wirtschaftlich sinnvoll, mit farbig beschichteten PV-Elementen ausgestattet.

 

Die Schule

Das Lernen schwebt über dem zentralen Treffpunkt – und hat seinen Platz auf der dritten und vierten Ebenen des Gebäudes. Die Klassenzimmer der Erwachsenen mischen sich mit den Klassen der Kinder. Alle Klassenzimmer sind mit einer Pausenterrasse auf dem Westgebäude der Verwaltung verbunden. Auf dem Dach des Ostflügels, auf der Seite des Lehrerzimmers, ist eine zweite Terrasse für weitere schulischen Nutzungen (Freischule, Kräutergarten, Hochbeete). 

Der Glasfassade des Schulbaus werden Fluchtbalkone mit einer Netzmembran vorgesetzt. Das Netz dient als Absturzsicherung und gleichzeitig als Rankgerüst für Kletterpflanzen, die das Gebäude natürlich beschatten. Die begrünte Fassade vor den Klassenzimmern fördert im Sommer ein ausgeglichenes Klima in den Innenräumen. Über die Gestaltung des absturzsichernden Pflanznetzes werden Sichtöffnungen zusätzlich definiert. Die Bewässerung erfolgt über Zisternen auf dem Dach. Das extensiv begrünte Dach der Schule wird mit PV- Anlagen ausgestattet. Der Schultrakt als Holzbau steht auf einer Stahlbetondecke über dem Erdgeschoss/ Ebene 2. Zwischen den Treppenhäusern aus Beton spannen Vierendelträger und ermöglichen so ein stützenfreies Kulturzentrum.

m8architekten

christian winter
mia winter
partmbB

parzivalstraße 25
80804 münchen
t +49.89.321 64 98.40
f +49.89.321 64 98.59 

office@m8architekten.com